Klappentext

Von wegen Stop! Immer weiter, der Weg ist das Ziel. Zugspitz Trailrun Challenge, 2014

Jetzt reicht‘s. Bevor ich platze, brauche ich ein Ventil. Ein Ventil für diese Wut, ja fast schon Aggression, die sich aus meiner „gesundheitlichen Hilflosigkeit“ entwickelt. Normalerweise reagiere ich mich körperlich ab. Wenn ich geladen bin, laufe ich Bergintervalle bis die Lunge brennt, mache Krafttraining oder fahre Fahrrad. Die ersten 26 Jahre meines Lebens war ich, obwohl ich ein Hitzkopf bin, dank meines Sports relativ ausgeglichen.

„Normalerweise“ ist mittlerweile fast zwei Jahre her. Seit knapp 2 Jahren funktioniert sportlich immer weniger, und seit mittlerweile einem halben Jahr fast gar nichts mehr. Irgendwas in meinem Körper rebelliert, funktioniert nicht wie es soll, schießt mich ins Abseits – wie auch immer, es läuft nicht mehr bei mir. Es geht noch nicht einmal mehr. Wenn ich im Supermarkt an der Kasse stehe und mir einfällt, dass ich das Toilettenpapier vergessen habe, denke ich „Taschentücher tun’s  auch“.  Es fällt mir verdammt  schwer und tut mir wirklich weh, noch zwei Mal (Hin- und Rückweg!) durch den Flur zu laufen. Mit 28 Jahren. Schöne Scheiße.

Tja, und nun? Im „echten Leben“ war ich viel und gerne unterwegs, bin mit Freunden durch Wälder geflitzt, durch Seen geschwommen, hatte viele kleine Nebenjobs, weil sie mir Spaß machten. Jetzt besteht mein Leben aus Arbeit, zermürbenden Arztbesuchen und schier endlosem Schlafen. Nachts sowieso, morgens lang. Ein Tag ohne Mittagsschlaf ist hart für mich. Abends liege ich manchmal früher als meine dreijährige Nichte im Bett. 16 Stunden können an schlechten Tagen durchaus drin sein. Manchmal unterbreche ich den Tiefschlaf nur zum Arbeiten, schaffe nichts mehr darüber hinaus,  obwohl ich nur eine halbe Stelle habe. Selbst Einladungen zu gemütlichen Abenden muss ich fast immer absagen. Nach der Arbeit fahre ich nach Hause, esse und schlafe. Ich liebe meine Arbeit und ich bin dankbar, für mich einen echten Traumjob gefunden zu haben. Trotzdem wünscht man sich im Leben auch Erfüllung über die Arbeit hinaus.

Was mich rettet und mir Halt gibt, ist mein Umfeld, meine Familie und Freunde, die zum Glück Verständnis mit meiner unbegreiflichen Situation haben. Mir nicht böse sind, wenn ich schlafen muss, statt zu einer Verabredung zu kommen. Die sich zu mir auf die Couch legen, wenn ich nichts unternehmen kann, oder mich stundenlang bei Arztbesuchen begleiten.

Was mir fehlt, ist ein Ziel, eine Erfüllung. Etwas, das ich – außer schlafen – mit der ganzen übrigen Zeit anfangen kann. Rumliegen und abwarten, dass etwas besser wird, ist nicht mein Ding. Wenn mir etwas nicht gefällt, arbeite ich daran, dass es besser wird. Nur weiß ich jetzt nicht einmal, wo der Fehler liegt – woran ich arbeiten kann. Natürlich habe ich mit allen Mitteln versucht, dahinter zu kommen, was schief läuft. Früher bin ich leidenschaftlich gern Marathon gelaufen, jetzt habe ich einen Ärztemarathon hinter mir. Einen Ultramarathon!

Die Arztbesuche laufen ungefähr nach folgendem Schema ab:

  • Anrufen – Warteschleife. Nach einem nervenaufreibenden Vormittag mit ca. fünf Versuchen ist meist immerhin eine Terminanfrage möglich – Termin in sieben Wochen. Bis dahin bitte noch nichts unternehmen. Warten!
  • Erster Termin – gut, die Untersuchungen können wir jetzt noch nicht machen. Nächste Woche. Bis dahin bitte noch nichts unternehmen. Warten!
  • Nach der Untersuchung: Ergebnisse in zwei bis drei Wochen. Bis dahin bitte noch nichts unternehmen. Warten!
  • Ergebnisbesprechung: Da müssen Sie zu einem anderen Facharzt. Bis dahin bitte noch nichts unternehmen. Warten!

Und so sind zwei Jahre ganz schön schnell vorbei. Ich muss zugeben – gegen Ende schlich sich zum „Nichts-tun-Können“ manchmal ein “Nichts-tun-Wollen” ein.  Warum sollte ich aufstehen, wenn ich ja eh gleich wieder müde bin? An schlechten Tagen habe ich das ungesunde Gefühl, dass ich sinnlos vor mich hin vegetiere. Die Zeit totschlage. Warte, bis morgen ist. Oder nächste Woche. Dann beginne ich mich zu fragen, worauf ich eigentlich warte.

Schluss damit! Beim Radfahren habe ich gelernt: Wenn dir ein Stein im Weg liegt, und du auf den Stein schaust, fährst du dagegen (im unfreiwilligen Selbstversuch bestätigt 😉 ). Schaust du dir die Linie an, die du fahren willst, fährst du am Stein vorbei.
Wie diese Linie aussieht, weiß ich noch nicht. Über eine Verkettung eigentlich sehr ärgerlicher Umstände (alles ist für etwas gut!)  entstand als erster Schritt diese Idee: Ich schreibe es auf! Mit folgenden Zielen:

  1. Die „alte Krankengeschichte“ aufarbeiten, in ein Paket packen, mit verdammt viel Klebeband umwickeln und aus meinem Gedächtnis streichen. Ich möchte nicht mehr ständig darüber reden, immer wieder von vorne anfangen. Ab jetzt geht es vorwärts!
  2. Meinem Weg zurück eine Struktur geben: Ich habe viele Ideen, was ich ausprobieren möchte. Ich habe viele tolle Menschen, die mich dabei unterstützen. Darüber zu schreiben, gibt mir eine sinnvolle Aufgabe – und Beschäftigung für die Zeit, die ich sonst auf Achse bin.
  3. Vielleicht hilft es ja nicht nur mir, sondern auch anderen Menschen in ähnlicher Situation. Mental, oder im besten Fall helfen auch ihnen meine Strategien. Vielleicht entsteht sogar ein reger Austausch, von dem alle profitieren.

Und Schwups, hätte alles wieder einen Sinn! 🙂

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