Zeit ist relativ

Bei mir ist es ruhig geworden. Nicht ruhig im Sinne von langweilig, sondern wunderbar ruhig. Es läuft gut, und vor allem konstant gut. Keine wilde Achterbahnfahrt mehr aus schlecht – ganz schlecht – übertriebener Hoffnung, sondern ein sehr angenehmes, konstantes, wundervolles gut. In jeglicher Hinsicht. Ich habe keine Schmerzen und bin sogar schon wieder in einer mehr als annehmbaren Form – nicht überragend, aber so, dass ich mit Freude meiner Arbeit und Freizeit nachgehen kann. Wenn ich mich ein paar Tage weniger bewege, habe ich auch wieder Hummeln im Hintern, und hüpfe wenig altersgerecht durch die Gegend, bis ich meine überschießende Energie abreagieren kann. So kenne ich mich endlich wieder, und es geht mir wunderbar damit. Ob, wann und was bei den Untersuchungen rauskommt, wird sich zeigen – daran ändert sich ja nichts, egal ob ich mir einen Kopf darüber mache oder nicht. Also lasse ich das.

Leider ist ausgerechnet jetzt, wo ich wieder Gas geben kann, Hannes außer Gefecht gesetzt. Er muss sich zwischen Operation oder drei Monaten absoluter Sportpause entscheiden. So mies!! Wenn man wüsste, dass eines davon sicheren Erfolg bringt, würde das vieles erleichtern, aber leider sind bei beiden Optionen die Ausgänge nicht sicher voraussagbar.

Drei Monate klingen ewig. Zwölf Wochen sportlich rein gar nichts tun, wenn man ansonsten fast täglich sportlich unterwegs ist.. leider kann ich einschätzen, wie fies das ist. Aber – wenigsten im Moment – kann ich der sehr unschönen Sache sogar etwas Motivierendes abgewinnen: Es geht auch unglaublich schnell vorbei!

Vor guten zwei Jahren wollte mich ein Arzt operieren. Erklärte mir, dass ich aufgrund meiner Hüftstellung ansonsten nie wieder gehen können würde. Sein Plan war (ganz profan gesagt) meine Hüfte zu brechen und neu zusammen zu puzzeln. Weil man dafür auch die Muskulatur von den Knochen kratzen und danach wieder anwachsen lassen müsste, hieße das für mich: 2 Jahre Bett und Rollstuhl. Keinen Schritt gehen. Natürlich entschied ich mich dagegen. Davon abgesehen, dass ich das medizinisch und orthopädisch schlichtweg für falsch halte, war ich überzeugt: „Nach zwei Jahren sind nicht mehr die Hüfte und Beine mein Problem, sondern mein Kopf! Nach zwei Jahren bin ich ein psychisches Wrack – da wird es völlig egal sein, ob ich wieder laufen könnte oder nicht.“

Heute weiß ich, dass das Quatsch ist. Natürlich wäre es für mich hart gewesen, von der „immer in Bewegung“-Hummel zum Rollstuhlfahrer zu werden. Aber das Schöne an unserer Psyche ist ja: Wenn man sich mit einer Situation arrangieren muss, macht man glücklicherweise doch meistens irgendwie das Beste daraus. Oder mindestens irgendetwas Gutes.

Zwei Jahre kamen mir damals unvorstellbar lang vor. Jetzt sind zwei Jahre und drei Monate vorbei. Ich habe mich nicht operieren lassen, musste nicht ewig im Bett liegen und Rollstuhl sitzen – einen Großteil der Zeit konnte ich statt laufen vieles andere machen. Und trotzdem waren es am Ende gute sechs Monate, in denen ich außer Arbeiten wenig bis nichts gemacht habe. Natürlich zog es sich zwischendurch auch mal wie abartig klebriges Kaugummi. Aber jetzt, wo es mir seit guten acht Wochen wieder „gut“ geht, habe ich rückblickend das Gefühl, dass die Zeit rasend schnell vorbei ging. Ich erinnere mich an die beiden Tage, an denen es „losging“, als wäre es vor zwei Wochen gewesen. Dabei ist es 26 Monate her! Unvorstellbar!

Was ich damit sagen will: Leben heißt Bewegung (übertragend gemeint). Es bleibt nie, wie es ist. Es gibt keinen Stillstand. Manchmal ist das schade, weil man die aktuelle Situation gerne behalten möchte, und manchmal ist es Hoffnung, Motivation und Mutmacher. Egal wie perfekt und toll, oder auch ätzend, langwierig und aussichtslos Situationen erscheinen mögen – es ist immer nur eine Momentaufnahme. Manchmal geht es zurück in die Richtung, aus der man gekommen ist, und manchmal in eine andere. Auch das kann genauso eine gute wie schlechte Nachricht sein.

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