links: Mittelfußlauf, rechts: Fersenlauf Bilder aus meiner Laufstilanalyse bei SCHORK Sports

Laufstilanalyse Teil 1

Es ist mittlerweile schon ein paar Wochen her, aber für mich noch immer brandaktuell: Die Running-Abteilung des 1.FC Kaiserslautern hatte ein Trainingswochenende veranstaltet, und mich als Trainier für die „Stabytraining für Läufer“-Einheit engagiert. Zufall oder Fügung, dass vorher Uwe und Sabine Schork ein Seminar über Lauftechnik hielten? Jedenfalls durfte ich daran teilnehmen, und das hat für mich vieles verändert.

In der Vorstellungsrunde sollte jeder sagen, wie viele Kilometer er pro Woche etwa läuft, und ob er aktuell Beschwerden hat. Mit meinen „Null Kilometer – Hüfte kaputt“ war ich der Exot der Truppe. Klar hat fast jeder Läufer das ein- oder andere Zipperlein, aber dass man gar nicht mehr laufen kann – und das seit drei Jahren – war zum Glück ein Einzelfall. Uwe konnte das kaum glauben, und behielt mich den Tag über im Auge. „Den Tag über“ beschäftigten wir uns mit den Themen „natürlicher Laufstil / Mittelfußlauf / Barfußlauf“  und ich war erstaunt, interessiert und gleichzeitig schockiert, dass ich mich damit noch nie auseinandergesetzt hatte. Ernsthaft – niemand würde auf die Idee kommen, sich einfach so ein paar Ski auszuleihen, und Skifahren zu lernen. Jeder besucht mindestens für die ersten Schritte in einer neuen Sportart einen Kurs oder ein Training, egal ob das Schwimmen, Tennis oder Handball ist. Klar ist es einer der Reize, die das Laufen ausmachen: Zieh dir Schuhe an und los geht’s. Du brauchst nichts und niemanden, bist frei, dein eigener Herr, und laufen kann ja schließlich jeder. Oder?

EBEN NICHT! Und ich ganz besonders nicht! Das war wirklich eine heftige Erkenntnis, wenn ich so darüber nachdenke, dass ich in meinem Leben schon sehr viel – und gar nicht mal unerfolgreich – gelaufen bin. Aber wenn ich mir nur das Vorhervideo des Workshops zum Nachhervideo betrachte, stelle ich fest, dass ich meine Lauftechnik betreffend extremen Nachholbedarf habe. Und das waren nur kleine, aus der Ferne aufgenommene Handyvideos. Trotzdem konnte man schon erkennen, dass ich in meiner „natürlichen Laufart“ zwar vom Fleck komme, aber bei jedem Schritt sehr unvorteilhaft in meine Gelenke knalle. Kein Wunder, dass es weh tut…

Eigentlich wollte ich mir an dem Tag nur anschauen und anhören, was Uwe so macht, nicht mitlaufen – denn ich hatte keine Lust, tagelang schlimme Schmerzen zu haben. Dann war es aber so anders als alles, was ich bisher zum Thema Lauftraining gemacht hatte, und doch so banal und einleuchtend, dass ich es nicht nur hören und sehen, sondern auch erleben und erfühlen wollte. Das Ergebnis – ja, auch Schmerzen in der Hüfte, das muss ich schon zugeben. Aber vor allem auch extremer Muskelkater in den Waden – obwohl ich wirklich nicht viel gelaufen bin. Ich schätze, dass ich insgesamt auf noch nicht einmal zwei Kilometer gekommen bin. Klar, das sind zwei Kilometer mehr, als ich in den zwei Monaten zuvor insgesamt gelaufen bin. Aber hey, zwei Kilometer.. und vom flachen Laufen überhaupt Muskelkater in die Waden zu bekommen, ist ja wohl nicht mein Ernst?! Doch. Weil ich einfach komplett anders gelaufen bin, als je zuvor.

Früher bin ich angeblich beim Laufen getrampelt wie ein Elefant. „So läuft man nicht“, habe ich gelernt. „Man setzt die Ferse sachte auf und rollt das ganz leise über den ganzen Fuß ab. Wie ein Mäuschen“. Ach, warum konnte Uwe dieses Seminar nicht schon vor 25 Jahren halten? Dann hätten meine Eltern und Trainer nicht gesagt „leise wie ein Mäuschen!“, sondern „super, du landest wunderbar auf dem Mittelfuß“. Leider hat man das damals anders gesehen, und ich habe gelernt, leise wie ein Mäuschen zu laufen.

Ohne zu sehr ins Detail gehen zu wollen, versuche ich den Unterschied hier mal anhand von zwei Bildern von mir zu erklären:

links: Mittelfußlauf, rechts: Fersenlauf Bilder aus meiner Laufstilanalyse bei SCHORK Sports
links: Mittelfußlauf, rechts: Fersenlauf
Bilder aus meiner Laufstilanalyse bei SCHORK Sports

Fersenlauf (das rechte Bild, mit Schuhen): Man landet mit (fast) gestrecktem Bein auf der Ferse – weit vor dem Körperschwerpunkt. Dadurch sind die Lasten, die die Ferse, das Sprunggelenk, das Knie und die Hüfte abfedern müssen, enorm.

Mittelfußlauf (linkes Bild, barfuß): Der Fuß setzt mittig (auf dem „Fußgewölbe“) direkt unter dem Körperschwerpunkt auf. Das Knie ist dabei angewinkelt.

Gründe, die für den Mittelfußlauf (und gegen den Fersenlauf) sprechen:

  • Die Ferse ist nicht dafür aufgebaut, bei jeder Landung das Mehrfache des Körpergewichts abzufangen. Das Fersenbein besteht aus vielen kleinen Knöchelchen, die nur von einer dünnen Fettschicht gepolstert sind. Das Fußgewölbe hingegen wird von der Fußmuskulatur aufrecht erhalten und kann diese Lasten locker tragen (gesetzt den Fall, die Fußmuskulatur ist ausreichend trainiert).
  • Das Knie ist nicht dafür ausgelegt, im durchgestreckten Zustand bei jedem Schritt enorme Lasten vor dem Körper abbremsen zu müssen – denn genau das passiert, wenn man den Fuß vorm Körper aufsetzt. Viel effektiver, aber vor allem auch gelenkschonender läuft man, wenn man den Fuß unter dem Körperschwerpunkt, das heißt genau mittig unter dem Körper aufsetzt. Damit MUSS man den Mittelfuß aufsetzen, denn nur die Ferse unterm Körper abzusetzen, wäre mit lustigen Verrenkungen verbunden. Automatisch ist auch der Winkel im Sprunggelenkt und in der Hüfte gesünder und die Gelenke sind alle durch entsprechende Muskelaktivität gesichert.

Warum laufen wir trotzdem (fast) alle über die Ferse? Weil wir es so gelernt haben! Nicht nur mir, sondern natürlich auch meinen Eltern, Trainern und allen anderen wurde über Jahre eingetrichtert, dass man zuerst die Ferse aufsetzt. Daraus wurden Generationen aus Fersenläufern, worauf natürlich auch die Laufschuhindustrie reagierte: Mit Sprengung! Klingt dynamisch, ist aber auf Dauer extrem ungesund! „Sprengung“ beschreibt die Differenz der Sohlendicke hinten im Vergleich zu vorne, das heißt, wie viel höher die Ferse als der Ballen gepolstert ist. Eine Sprengung von 14 mm bedeutet also beispielsweise, dass die Sohle unter der Ferse 20 mm hoch ist, die unter dem Ballen nur 6 mm. Das heißt, dass man permanent bergab läuft – und gar nicht mal so wenig! Bei gängigen Laufschuhen kommt man da gut und gerne auf ein Gefälle von sieben Prozent – nur durch den Schuh!

An dieser Stelle beißt sich die Katze in den Schwanz: Die einzige tatsächliche Notwendigkeit für den „bremsenden“ Fersenlaufstil ergibt sich beim Bergablaufen. Wer versucht, bergab auf dem Mittelfuß oder gar den Fußballen zu laufen, muss sich so extrem nach vorne neigen, dass er wahrscheinlich nach vorne kippt (ich belasse es mal bei dem Gedankenexperiment, falls es jemand ausprobieren mag bitte auf weichem Gras 😉 ). Da macht auch die Metapher mit dem bremsend den Fuß wieder Sinn, denn bergab will man ja die Geschwindigkeit kontrollieren, und muss den Fuß daher zwangsläufig vorm Körper aufsetzen. Wenn jetzt aber der Schuh schon sieben Prozent Gefälle vorgibt, ist ja klar, dass man auch in flachem Gelände quasi nur über die Ferse abrollen KANN!!

Warum tut uns die Laufschuhindustrie das an? Arbeiten die eng mit Orthopäden zusammen? Vielleicht 😀 Aber vor allem ist es wohl eine Reaktion auf unser Laufverhalten: Wenn alle zuerst mit vollem Gewicht auf die Ferse knallen, macht es ja durchaus Sinn, der Ferse ein wenig Unterstützung zu bieten. Denn diese ist, wie schon beschrieben, ganz und gar nicht dafür ausgelegt, dauerhaft Bremspedal zu spielen.

Das bringt leider noch einen zweiten Nachteil mit sich: Wer einen sauberen Mittelfußlaufstil beherrscht, setzt seinen Fuß außen mittig auf, rollt diagonal nach innen ab, und drückt sich mit dem Großzehenballen wieder ab. Unsere modernen Laufschuhe haben jedoch nicht nur eine enorme Sprengung, sondern auch eine „Antitorsionsstütze“. Das heißt, dass die Sohle gegen Verdrehungen sehr steif ist, sich nicht „verwringen“ lässt. Auch das ist wieder nett gedacht, aber am Ende des Tages schlecht für denjenigen, der Mittelfußläufer sein (oder werden) möchte: Wenn man schon über die Ferse läuft, ist es durchaus sinnvoll, nicht hin- und her zu eiern, sondern dann gerade nach vorne zu rollen. Wer also Fersenläufer ist und partout bleiben möchte, der ist mit Schuhen mit Sprengung und Antitorsionsstütze gut beraten. Wer aber an seinem Laufstil arbeiten möchte, sollte sein Schuhregal durchschauen, und wahrscheinlich beim Schuhhändler seines Vertrauens vorbeischauen: Denn die Antitorsionsstütze verhindern das diagonale Abrollverhalten, das für den Mittelfußlauf essentiell ist.

Das heißt jetzt bitte nicht, dass alle Schuhe mit Sprengung und Antitorsionsstütze in den Container fliegen! Wer an seinem Laufstil arbeiten möchte, tut dies bitte langsam, dosiert, und unter Anleitung! Wer sich jetzt Barfußschuhe bestellt und damit die nächsten Wochen Kilometer spult, macht sicherlich mehr schlecht als gut. An das Thema muss man sich wirklich bedacht und sachte herantasten – wenn man das tut, ist es aber sicherlich langfristig sehr sinnvoll. Ich kann dazu auch jedem nur empfehlen, eine individuelle Laufstilanalyse durchführen zu machen. Ich habe da bei http://schork.sports-diagnostic.de/ wirklich geniale Erfahrungen gemacht, ein dickes Dankeschön an dieser Stelle und große Empfehlung von mir.

Und last but not least: Das ist – wie die meisten – ein heiß diskutiertes Thema. Es gibt natürlich auch Argumente gegen das “natural running” (d.h. barfußähnliches Laufen mit wenig bzw. ohne Sprengung, Dämpfung und sonstigem Firlefanz unter den Füßen). Allen voran das Argument, dass unsere Füße und Körperstatik das “nicht mehr gewohnt” und der Mittelfuß- bzw. Vorfußlauf auf Asphalt ungesund seien. Ich bin da anderer Meinung, allerdings ist das Thema so komplex, dass ich die Gegenseite nicht unerwähnt lassen möchte. Deshalb nochmal der Hinweis: Die Lauftechnik ist eine tolle Stellschraube, an der mit Sicherheit fast jeder Läufer noch vieles verbessern kann – aber bitte durchdacht, dosiert, am besten unter Anleitung. Ich werde mich ganz bestimmt auch selbst noch tiefer in das Thema einarbeiten und noch einige Posts dazu verfassen. Auch über die Ergebnisse meiner individuellen Laufstilanalyse und über weitere Überlegungen meinerseits zum Thema Sprengung berichte ich in den nächsten Tagen 🙂

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