Gar nicht sauer

Gestern war der letzte Tag meiner basenüberschüssigen Ernährungs-Testphase.

Die ersten vier Wochen hielt ich mich strikt an die basenüberschüssigen Richtlinien – sowohl beim Essen, als auch bei den Getränken. Kein Kaffee, keine kohlensäure-, zucker- oder süßstoffhaltigen Getränke. Nur Wasser und Kräutertee.

Nach vier Wochen lockerte ich meine mir selbst auferlegten Richtlinien ein bisschen. Ein Schluck Saft im Wasser schien mir luxuriös und taugte wunderbar als „Belohnung“, vor allem an Tagen, an denen es mir schwer fiel, mich an die basischen Richtlinien zu halten. Auch einen Schluck Wasser mit Kohlensäure gönnte ich mir ab und zu – wobei das Verlangen danach mit der Zeit nachließ.

Dazu ein kleiner Exkurs: Als ich 16 war, zog ich im Rahmen eines Schüleraustausches für ein halbes Jahr nach Frankreich. Dort wurde statt kohlensäurehaltigem Mineralwasser, das ich von zu Hause gewohnt war, Leitungswasser getrunken. Anfangs befürchtete ich, in Frankreich zu verdursten – das Leitungswasser schmeckte mir überhaupt nicht. Aber nach einiger Zeit gewöhnte ich mich daran. Ich trank dann sogar als ich wieder zu Hause war noch lange Zeit fast ausschließlich Leitungswasser – weil es mir dann tatsächlich besser schmeckte. Wenn sich die Geschmacksknospen erst mal entwöhnt haben und nicht mehr immer nach etwas süßem oder blubbernden verlangen, kann sogar Leitungswasser „lecker“ sein.

Zurück zu meinem basischen Experiment: Beim Verzicht auf Kaffee (und schwarzen und grünen Tee, also insgesamt auf Koffein) musste ich mich anfangs wirklich zusammenreißen – und lernte, warum Koffein abhängig, und der Verzicht müde macht:

Kaffee dockt im Gehirn an die gleichen Rezeptoren an wie Adenosin, ein müde machender Botenstoff. Wenn alle Rezeptoren mit Koffein besetzt sind, können keine müde machenden Botenstoffe mehr andocken – das ist der Grund, weshalb Kaffee wach macht. Allerdings möchte der Körper auch mal müde sein und zur Ruhe kommen dürfen. Wenn man ihn das durch übermäßigen Koffeinkonsum verwehrt, bildet er einfach mehr von den Rezeptoren – dann bleiben trotz Koffein auch noch welche für Adenosin übrig. Deshalb „gewöhnt“ man sich an Koffein: Ein  Kaffeetrinker braucht immer mehr oder stärkeren Kaffee, um fit zu sein, und kommt nicht mehr mit der Dosis aus, die einem Koffeineinsteiger ausreicht.

Das erklärt auch, weshalb es für einen Koffein-Junkie schwer ist, plötzlich auf Kaffee zu verzichten: Er hat sehr viele Rezeptoren, die jetzt plötzlich alle mit dem müde machenden Adenosin besetzt werden können. Deshalb sind die ersten Tage hart, und das Verlangen nach Kaffee groß. Bei mir hat es sogar einige Wochen gedauert, bis ich emotionslos an einer Kaffeemaschine vorbeigehen konnte. Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Der menschliche Körper hält seine Systeme im Gleichgewicht, wenn wir ihm nicht ständig zwischenfunken. Die zusätzlich gebildeten Rezeptoren, die ohne Koffein-Dauerbesatzung überflüssig sind,  werden wieder abgebaut. Nach einer Weile und mit der nötigen Disziplin könnte man es also auch als Kaffee-Junkie zu einem normalen Koffeinkonsum schaffen. Ich habe es offensichtlich lange genug durchgezogen: Ich komme mittlerweile wunderbar ohne Kaffee aus und habe auch kein Verlangen mehr danach. Wenn es sich ergibt, trinke ich vielleicht mal eine Tasse, aber das ist nichts, worauf ich hin fiebere.

Richtig gefreut habe ich mich hingegen darauf, endlich wieder Schokoeiweißpulver essen und trinken zu können. Ich hatte, bis ich mich zur basischen Ernährung entschieden habe, einen recht hohen Konsum davon. Zum Backen, Trinken, im Joghurt, Müsli, .. – ich nutzte es gerne und viel, da ich so einen schokoladigen Geschmack ohne schlechtes Gewissen hatte – schließlich ist es ja Eiweiß, also „gesund“.

Leider ist Eiweißpulver in der Regel absolut nicht vegan. Umso mehr freute ich mich, als ich ein veganes, glutenfreies Eiweißpulver gefunden hatte.  Geschmack: Milchschokolade. Perfekt! Natürlich ist das nicht wirklich basisch, aber es geht ja um die Gesamtbilanz, da wird ein bisschen schon nicht schaden.

Deshalb habe ich mir gleich zu Beginn meines basischen Experimentes ein veganes, glutenfreies Schokoeiweißpulver bestellt.

Mein Deal mit mir selbst war, die Dose erst nach sechs Wochen zu öffnen – erstaunlicherweise hielt ich das auch durch. Vor zwei Wochen war es dann soweit. Es kam mir vor wie eine kleine Zeremonie –  diesen Geschmack habe ich wirklich sehr vermisst! Ich nahm einen kleinen Schluck – und musste mich zusammenreißen, ihn nicht wieder auszuspucken.  Bäh! Das schmeckte nach Chemie, kein bisschen nach Schokolade! Objektiv betrachtet schmeckt es natürlich wie jedes Schokoeiweiß – nur mir schmeckte es nicht mehr. Schade für mich (ich mochte das wirklich gerne), aber gleichzeitig auch schön zu wissen:  Wenn man sich sechs Wochen lang alles Künstliche, Verarbeitete, mit Geschmacksverstärkern versetzte verboten hat, hat man keine Lust mehr darauf. Man könnte fast sagen, die Geschmacksnerven ertragen es nicht. Lecker ist es jedenfalls definitiv nicht mehr.

Jetzt, wo die acht Wochen vorbei sind, und ich mein gewohntes Pulver wieder nehmen könnte, möchte ich es noch nicht einmal mehr versuchen.Auch der zuckerfreie Eistee, der noch von vor meiner Ernährungsumstellung zu Hause steht, und von dem ich immer viel Getrunken habe, reizt mich überhaupt nicht mehr.

Ansonsten hat sich an meinem Essverhalten erstaunlich wenig geändert: Ich esse immer noch mein Müsli mit Nüssen, Samen und Früchten – jetzt eben mit Fruchtsaft oder Mandelmilch  statt mit Kuhmilch.

Statt Käse gibt nehme ich Humus, Mandel- oder Nussbutter, oder auch mal veganen Käse. Einen habe ich gefunden, der aus Mandeln, Kokosöl, Salz und Kräutern besteht. Schmeckt vielleicht nicht genau wie Käse, aber das muss ja auch nicht sein. Gut schmeckt es trotzdem, und für ab und zu ist es eine schöne Abwechslung. Die Supermärkte sind dafür auch schon ganz gut ausgestattet.

Joghurt und Quark zu ersetzen ist nicht ganz so leicht, wenn man nicht immer auf Sojaprodukte  zurückgreifen möchte. Ab und zu ist das ok für mich, viel davon vertrage ich aber nicht gut. Nach einigem Suchen habe ich aber auch sehr leckere Alternativen aus Kokosmilch und Süßlupinen gefunden.

Brot backen wir mittlerweile selbst. Es gibt zwar glutenfreies und veganes Brot zu kaufen, allerdings meist nur die eingeschweißten, die mit diversen Konservierungsstoffen versetzt sind. Statt darauf zurückzugreifen, backen wir verschiedene Brote mit Süßlupinenmehl, Kichererbsenmehl, Mandel- oder Nussmehl, Maismehl, .. . Immer lehr leckeres, frisches Brot zu Hause zu haben ist wirklich eine tolle Sache – und gleichzeitig gutes Training für die Disziplin. 🙂

Auch Kuchen, Kekse, Chips, Pizza und all die anderen „Sünden“, auf die man ab und zu einfach Lust hat, kann man in veganer, glutenfreier , zuckerfreier Variante machen. Mindestens genauso lecker. Und dann mit doppelt genießen, da es schließlich gesund ist.

Ich kann nicht sagen, dass ich bisher körperliche Veränderungen durch die Ernährungsumstellung gemerkt habe. Aber da es mir zwar nicht besser, aber auch nicht schlechter geht, und die Ernährungsform zu meiner Einstellung und Vorstellung von einer gesunden, nachhaltigen, fairen Lebensweise passt, werde ich sie überwiegend so beibehalten.

Ich komme ganz wunderbar ohne (tierische) Milchprodukte, Eier und glutenhaltige Getreide zurecht, ohne dabei auf etwas verzichten zu müssen. Man lebt ein bisschen teurer und muss sein Essen im Vorfeld planen – dafür lebt man aber auch bewusster und gesünder. Ich esse noch immer gerne und viel, aber jetzt gezielter und mit mehr Genuss, weil es noch besser zu meiner Lebenseinstellung passt.

Ich war schon oft an dem Punkt, an dem ich dachte, dass ich von meiner Überzeugung her eigentlich vegan essen müsste – die Lebensbedingungen von Milchkühen und Legehennen finde ich absolut unwürdig, und möchte nicht, dass ein Tier so leben muss, nur damit ich meinen Joghurt löffeln kann. Trotzdem konnte ich es mir nicht vorstellen, ohne Milchprodukte auszukommen. Wie soll das denn gehen? In den letzten acht Wochen habe ich festgestellt: Ganz einfach und völlig problemlos! Das, worauf man nicht verzichten möchte, kann man wunderbar ersetzen. Und es gibt so viel andere leckere Dinge, dass man den Rest kaum vermisst.

Trotzdem werde ich auch nicht übertrieben streng sein. Glücklicherweise bin ich ja nicht aus gesundheitlichen Gründen gezwungen, auf etwas zu verzichten. Ich bekomme keine Bauchschmerzen oder Ausschläge wenn ich mal ein bisschen Weizen oder Zucker abbekomme.

Wenn also irgendwo ein paar Krümel Dinkelmehl drin sind, und ich Lust darauf habe, kann es durchaus passieren, dass mir das Gluten herzlich egal ist. Bestimmt kann ich mich auch ab und zu mit einem Ei von glücklichen, freilaufenden Hühnern mit Familienanschluss anfreunden. Wir hatten selbst eine ganze Weile Hühner, die von uns gehegt und gepflegt wurden, uns auf den Schoß hüpften wenn wir im Garten saßen und sich den Kopf kraulen ließen. Unter den Bedingungen kann ich auch mit Genuss einen Pfannkuchen essen. Oder drei.

 

 

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