Die menschliche Psyche ist schon ein komisches Gebilde. Vier bis sechs Wochen soll es dauern, bis die Ergebnisse von meinem Gen-Test da sind. Die ersten drei Wochen habe ich überhaupt nicht daran gedacht, und wenn mich jemand gefragt hat, ob mich das Warten nicht nervt, habe ich mit voller Überzeugung: „Nö, jetzt nicht mehr. Es geht mir ja gut dabei“, geantwortet. Nach dreieinhalb Wochen ging es langsam los. Ist schon was im Briefkasten? Nein? Jetzt vielleicht? Immer noch nicht. Mh :-/. Heute sind es genau vier Wochen und zwei Tage, und langsam verliere ich die Geduld. Ich verstehe nur selbst nicht, wieso. Warum wird man “hippelig”, wenn es Richtung Ende der Frist geht? Für mich hat sich beim Warten doch nichts geändert! Ob ich in der ersten, oder in der fünften Woche warte, was macht das denn für einen Unterschied?
Diese Frage kann ich nicht beantworten. Vielleicht macht es die Summe der Zeit. Vielleicht werde ich allgemein nach dreieinhalb Wochen ungeduldig. Ob ich bei einer Zwölfwochenfrist erst nach elfeinhalb Wochen ungeduldig werden würde, muss ich hoffentlich nicht herausfinden. So langsam hab ich nämlich auf dieses Warten wirklich keine Lust mehr. Ich würde sehr gerne den Moment, das Hier und Jetzt, das Heute genießen, statt immer zu warten. Das ist nur leider nicht immer ganz leicht, wenn so eine gravierende Sache aussteht.
Dazu kommt eine unschöne Tatsache: leider musste ich das Cortison ein bisschen erhöhen. Dabei will ich ja eigentlich das genaue Gegenteil – in kleinen Schritten immer weiter reduzieren, die Dosis drücken. Das klappt aber nicht, denn mit einer geringeren Dosisierung kommen die Symptome zurück. Deshalb hoffe ich jetzt natürlich umso mehr, dass es eine Diagnose und damit eine andere Therapie gibt, damit ich das Cortison langfristig nicht noch mehr erhöhen muss, oder vielleicht sogar gar nicht mehr brauche.
Und dann gibt es da diese fiesen, destruktiven Gedanken und Fragen, die absolut nicht zielführend sind, aber leider doch auch so berechtigt: Was, wenn die Tests, wie all die unzähligen zuvor, wieder kein Ergebnis bringen? Wenn wieder auf dem Papier „alles im grünen Bereich“ ist? Wenn ich wieder ein „Es tut mir leid, ich wünsche ihnen alles Gute, aber kann ihnen leider nicht helfen“ höre? Was mache ich dann? Muss ich dann für immer, und in kleinen Schritten immer mehr, Cortison nehmen? Und wo zur Hölle suche ich dann weiter?
Was würde ich Freunden in so einer Situaiton raten? „Fokussiere auf das Positive und genieße den Moment. Diese Gedanken bringen dich kein Stück vorwärts. Wenn es so sein sollte, machst du dir noch früh genug Gedanken darüber“. Klar. Stimmt ja auch. Ist trotzdem manchmal schwierig.
Zum Glück hab ich mir mittlerweile ein paar Taktiken herausgefunden, wie ich mich aus solchen negativen Gedankenstrudeln ziehen kann. Das klappt nicht immer auf Anhieb, aber dann irgendwann zum Glück doch recht zuverlässig. Akut hilft es mir am besten, mich abzulenken – mit lustigen Gesprächen, Sport, Lesen, .. – und zum Verarbeiten schreibe ich darüber. Beim Schreiben sortiere ich mich, wechsele die Perspektive, und betrachte die Situation nüchtern und “von außen”. Wenn ich möchte, dass jemand meine Texte verstehen kann, muss ich nämlich aufhören, mich reinzusteigern, und dann hat die Vernunft auch eine realistische Chance, sich gegen die hochkochenden Emotionen durchzusetzen.
Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie viel Arbeit in dieser „Positive Gedanken“ – Nummer steckt. Und vor allem kontinuierliche Arbeit. Wenn es irgendwann mal „gut“ ist, will man ja gerne glauben, dass das ein Dauerzustand ist. Da hat man schließlich viel Zeit und Energie reingesteckt, viele Bücher gelesen, stundenlang meditiert, aktiv positiv gedacht und verschiedenste mentale Strategien durchprobiert. Leider neigt man dazu, damit wieder aufzuhören, sobald man den Zustand, zu dem man kommen wollte, erreicht hat. Das ist wie mit Übungen für einen starken Rücken: Die meisten denken erst daran, etwas für ihren Rücken zu tun, wenn der anfängt weh zu tun. Viel sinnvoller wäre es ja, wenn man gesund ist etwas zu tun, damit man gar nicht erst Schmerzen bekommt.
Genauso ist es auch mit dem mentalen Training. Würde man sich dafür auch an richtig guten Tagen immer Zeit einplanen, würden die destruktiven Momente vielleicht weniger schlimm werden. Je öfter einem das bewusst wird, desto mehr wird man auch bereit sein, Zeit und Kraft in mentales Training zu investieren – das hoffe ich zumindestens.
Und irgendwie wäre es ja auch langweilig, wenn alle immer vernünftig wären, es schaffen würden, sich auf allen Ebenen sehr gut um sich zu kümmern. Ich bin mir sicher, dass es weniger schöne Momente geben MUSS, damit man die Guten als solche wahrnimmt – und dann auch umso intensiver. So lange man in schlechten Momenten irgendwann die Kurve bekommt, sich aufrappelt und etwas für sein Wohlbefinden tut, statt sich immer weiter reinzuziehen – egal ob auf körperlicher oder mentaler Ebene – lernt man zudem auch immer etwas daraus!