Milchmädchenrechnung

„Milch macht müde Männer munter“, „Die Milch macht‘s“, „Mit dem besten aus 1/3 Liter entrahmter Milch“, „Mit der Extraportion Milch“ – glaubt man der Werbung, scheint Milch ein supergesundes Zauberlebensmittel zu sein. Vor allem für starke Knochen sind Milch und Milchprodukte als Kalziumlieferant offensichtlich unverzichtbar. Das dachte ich auch – und habe mich, nachdem ich erfahren habe, dass meine Knochendichte grenzwertig niedrig ist, gefragt, ob ich meine Ernährung doch wieder umstellen muss.

Ich lebe seit ich zehn bin vegetarisch. Joghurt, Käse und Milch waren immer sehr wichtige Bestandteile meiner Ernährung. Da ich immer viel Sport gemacht habe, habe ich auch viel gegessen – und dementsprechend auch wirklich (!) viele Milchprodukte. Seit knapp zwei Monaten esse ich vegan, das heißt unter anderem auch ohne Milchprodukte. Ich bin mir sicher, dass meine Knochendichte nicht von ein paar Wochen veganer Ernährung abgenommen hat, aber wenn meine Knochendichte eh schon zu niedrig ist, sollte ich mich vielleicht nicht auch noch vegan ernähren?

Mist, Mist, Mist – ich fühle mich mit der veganen Ernährung wirklich wohl, körperlich und vor allem mental. Ich müsste mir Käse und Joghurt mittlerweile ohne Appetit reindrücken. Das ist schon erstaunlich, jahrelang dachte ich, dass ich von meiner Einstellung Tieren gegenüber eigentlich vegan essen müsste, konnte mir aber nicht vorstellen wie ich ohne Milchprodukte auskommen könnte. Und jetzt fällt es mir nicht nur nicht schwer, sondern im Gegenteil, ich müsste mich regelrecht dazu überwinden.

Ich schob die Entscheidung vor mir her: Soll ich wirklich wieder vermehrt Käse und Joghurt essen? Machen ein paar Wochen mehr etwas aus, oder riskiere ich vielleicht sogar wirklich bleibende Schäden? Ich überlegte hin und her, und informierte mich über pflanzliche Kalziumquellen, Kalziumsubstitution und allgemein den Kalziumhaushalt im Körper. Dabei kam ich zu dem Schluss, dass es für mich aktuell gar nicht klug wäre, zu viel Kalzium aufzunehmen: Kalzium wird nur in den Knochen eingelagert, wenn genug Vitamin D im Körper vorhanden ist. Da ich aber einen Vitamin D Mangel habe, kann das Kalzium gar nicht in die Knochen gelangen, und stattdessen bei einem zu hohen Vorkommen im Körper sogar Schaden anrichten (Muskelkrämpfe, Nierensteine, ..). Klingt komisch, war für mich zu dem Zeitpunkt aber eine positive Nachricht, denn dadurch hatte ich nochmal ein bisschen Zeit gewonnen. Erst mal den nächsten Vitamin-D-Wert abwarten.

Dann telefonierte ich mit einer Freundin und erzählte ihr, dass meine Knochendichte zu gering ist. Mich wundert das wirklich, denn ich bin immer viel gelaufen und gesprungen, und das verfestigt die Knochen. Und ich hatte immer viel Kalzium in meiner Nahrung. Eigentlich müsste ich ein sehr starkes Skelett haben. Klar, der Vitamin-D-Mangel wird da seine Finger im Spiel haben – aber ich bin auch schon immer viel draußen, und in der Sonne wird ja Vitamin D gebildet. Ich konnte mir auf das ganze wirklich keinen richtigen Reim machen.

Meine Freundin hatte einen komplett anderen Standpunkt: „Hm, gar nicht erstaunlich, so viel Milchprodukte wie du immer gegessen hast!“ Ich stand auf dem Schlauch. Das ist doch gut für die Knochen?!

Sie erklärte mir: Jein. Ja, in Milchprodukten ist viel Kalzium. Aber Milchprodukte sind auch, wie alle tierischen Eiweißquellen, sehr „sauer“. Weil der Körper sein Gleichgewicht wieder herstellen möchte, entzieht er bei der Aufnahme von zu viel sauren Lebensmitteln den Knochen Kalzium, um zu verhindern, dass das Blut sauer wird. Zum Glück hab ich schlaue Freunde J

Ich las die Funktionen von Kalzium nach, und stellte fest, dass sie sowas von Recht hat:

  • Die bekannteste Funktion: Knochen und Zähne festigen (diese bestehen zu einem großen Teil aus Kalziumverbindungen)
  • Darüber hinaus reguliert Kalzium die Funktion von Muskeln und Nerven. Zu viel oder zu wenig Kalzium kann zu Krämpfen und neurologischen Fehlfunktionen bis hin zu Halluzinationen führen. So weit, so klar. Jetzt kommt’s:
  • Zudem spielt Kalzium eine wichtige Rolle in der Regulation des Säure-Basen-Haushaltes. Sinkt der pH-Wert des Blutes zu stark ab, wird Kalzium aus den Knochen gelöst. Das Ausgleichen des Blut-pH-Wertes ist lebenswichtig, denn dieser beeinflusst unter anderem die Atemfrequenz und den Sauerstofftransport im Körper.

Wow. Sollte ich tatsächlich ausgerechnet mit dem, was ich für „gut für meine Knochen“ hielt, meine Knochendichte herabgesetzt haben?

Ganz wichtig ist an dieser Stelle klarzustellen, dass das keine eindeutige Meinung ist. In diesem Punkt  streiten sich die Ernährungswissenschaftler bis aufs Blut: Die einen halten Milchprodukte aufgrund des Kalziums für knochenstärkend, die anderen aufgrund des sauren pH-Wertes für potentiell knochenschwächend.

Ich denke, die Lösung liegt wie meistens irgendwo in der Mitte. Vor allem wird es dabei wie immer auf die Menge ankommen – alle zwei Tage ein Joghurt und täglich 2 Scheiben Käse wird die Knochen bestimmt nicht spröde machen. Aber ich kann mir schon vorstellen, dass bei den Mengen an Milchprodukten, die ich in den letzten Jahren zu mir genommen habe, die Bilanz für meine Knochen negativ gewesen sein könnte.

Unterm Strich hab ich mal wieder Glück gehabt und kann erst mal so weiter machen wie bisher. Grade geht es mir nämlich wirklich richtig gut, und damit sich daran nichts ändert, würde ich meine Strategie gerne so beibehalten, bis es neue Ergebnisse gibt. Never change a running system 😉

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