Oder „über den Nutzen der unscheinbaren Dinge“
Training muss hart sein und weh tun, damit es etwas bringt? Natürlich ist mir bewusst, dass das Quatsch ist. Ich mag an mir selbst nicht immer der Vorreiter in Sachen gesundheitsorientiertem Training sein (ich kann ja auch nichts dafür, dass ich gerne meine Grenzen austeste, und dass für mich die Formel „je mehr Schmerzen, desto mehr Endorphine“ zutrifft), anderen rate ich aber sehr wohl zu sinnvoll dosiertem und langsam gesteigerten Training mit entsprechenden Ruhephasen. Und auf mich selbst bezogen, bin ich (gezwungenermaßen) auch viel ruhiger und vernünftiger geworden.
Trotzdem ist irgendwo tief in mir drin verankert, dass man einfach mehr davon hat, wenn man beim Training auch ein bisschen schwitzt. Natürlich weiß ich auf der rationalen Ebene, dass das „Rollen“ der Faszien durchaus hilfreich und sinnvoll sein kann. Nur blieb mir der emotionale Zugang bis vor Kurzem verwehrt, oder schlicht gesagt: Ich hatte einfach keine Lust drauf. Ab und zu habe ich mich nach dem Training in jeder Richtung drei Mal über die Blackroll gequält (na ja, eher über die weiße Rolle, die ist nämlich weicher, da tut es nicht ganz so weh). Allerdings war mir das viel zu langweilig, als dass ich es mir regelmäßig und ausdauernd angewöhnen gekonnt hätte.
Vor einigen Wochen bekam allerdings Hannes von seinem Physiotherapeuten den Auftrag, täglich zu rollen – und zwar alles 20 Mal! Oberschenkelvorderseite (au), Außenseite (AU!), Innenseite (AU verdammt!!!), Rückseite (gut das geht), den Hintern mit einem Ball (ARG) – und weitere unbeschreiblich schmerzhafte Gemeinheiten. Da ich sehr gerne mit Hannes Sport mache, und es mir dann mehr oder weniger egal ist, was wir machen, traf ich eine schmerzhafte Entscheidung: Ich mache den Kram mit!
Natürlich lange nicht so motiviert und ausdauernd wie Hannes, der von Anfang an wirklich jeden Tag (manchmal sogar mehrfach) konsequent rollte. Ich brauchte eine ganze Weile, um „ins Rollen“ zu kommen. Die ersten Male machte ich mit, wann es eben zeitlich passte – vielleicht drei oder vier Mal pro Woche. Allerdings rollte ich definitiv NICHT jede Stelle 20 Mal! Manche taten so weh, dass ich mich noch nicht einmal für fünf Wiederholungen motivieren konnte. Und trotzdem wurde es schleichend besser: Das Rollen an sich tat weniger weh, und meine Beine, insbesondere meine Hüfte, fühlte sich so gut und geschmeidig an wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Klar sind die Muskelschmerzen durch das Cortison viel besser, trotzdem drückte sich ein paar Mal am Tag ein stechender Schmerz im Hüftbeuger und ab und zu auch ein dumpfer Schmerz hinten in der Hüfte durch. Das war so gut wie weg!!! Bis ich vier Tage nicht zum Rollen kam – und dafür auch körperlich gleich die Quittung bekam. Es war nicht von heute auf morgen alles wieder schlechter, aber ich fühlte mich weniger geschmeidig, und das ein oder andere Stechen machte sich bemerkbar. Das war der Moment, in dem mir klar wurde, welche enormen Auswirkungen diese zum Teil sehr lustig aussehenden Übungen auf Styroporrollen und Bällen scheinbar tatsächlich haben können. Und seitdem rolle ich tatsächlich fast täglich, und ich fange auch an, mich darauf zu freuen und es zu genießen. Ich schätze, das liegt daran, dass mein Unterbewusstsein verankert hat, dass Rollen etwas gutes und hilfreiches, und nichts nerviges und zeitraubendes ist. Und natürlich auch daran, dass ich es mit „Training mit Hannes“ verbinden kann.
Für undisziplinierte Menschen wie mich scheint mir das eine gute Taktik zu sein:
- Dem Unterbewusstsein ein bisschen Zeit und vor allem die Chance geben, zu lernen, dass etwas gut tut. Nicht gleich vom ersten Tag an alles wollen und erzwingen, sonst ist die Motivation weg, bevor sie je da war.
- Das vermeintlich Unangenehme mit etwas verbinden, worauf man sich freut.
- 8 Wochen abwarten. Wenn man es bis dahin noch nicht für gut befinden, nach etwas anderem Ausschau halten. Wenn doch – genießen und auf die positiven Effekte freuen 🙂