Schön schlimm

Weil mich das grade akut beschäftigt, muss ich heute einen anderen Gedanken einschieben, bevor es morgen mir der Ernährung weiter geht.

Heute habe ich mich mit jemandem unterhalten, der ganz ähnliche Symptome hatte und hat, wie ich sie hatte und habe. Das war das erste „echte“ Gespräch (d.h. nicht per Mail o.ä.), das ich so führen durfte. Das war schlimm und schön gleichermaßen: Man fühlt sich ehrlich verstanden in einer Sache, von der man niemandem wünscht, dass er das auf dieser Ebene verstehen kann. Auch wenn keiner gerne mit etwas alleine dastehen möchte, möchte man doch auch niemanden damit belastet wissen.

So schlimm es für jeden Betroffenen ist, und so sehr ich mir für jeden wünschen würde, dass es sofort wieder gut ist (dafür würde ich liebend gerne in Kauf nehmen, „alleine“ dazustehen) – so gut tut es doch auch, sich auszutauschen. Wenn man schon für niemanden den Schalter umlegen und es wieder gut machen kann, kann man den doppelten Schlamassel wenigstens nutzen. Ich kann aus solchen Gesprächen immer ganz viel rausziehen, sie motivieren mich und geben mir neue Energie. Wenn ab und zu auch nur eine gemachte schlechte Erfahrung verhindern kann, dass andere die gleiche schlechte Erfahrung machen müssen, ist das schon toll. Wenn monate- bis jahrelanges Ausprobieren, das einem so oft willkürlich und sinnlos vorkommt, am Ende ein Ergebnis hervorbringt, das vielleicht auch anderen hilft, dann war es die Mühe hundertfach wert!

Leben ist Bewegung, Stillstand ist tot.

Klingt nach einer Platitude, stimmt aber – zum Glück!! Damit meine ich nicht, dass man sich ständig bewegen muss, sondern dass im Leben nichts stabil ist, nie etwas lange bleibt, wie es ist. Mir zu verdeutlichen, dass immer alles in Bewegung ist, ein dynamisches System, das wir nur in sehr kleinem Maße beeinflussen können, finde ich einen beruhigenden Gedanke. Das muss natürlich nicht immer etwas Positives sein – man kann auch sehr gut dynamisch in die Scheiße reiten. Aber selbst wenn, bleibt man dort nicht stecken,  sondern flutscht oder wurstelt sich wieder raus. Egal wie etwas gerade ist, es wird wieder anders. Immer. Ob wir wollen, oder nicht 😉

Wir haben uns lange über unsere „Krankengeschichten“ unterhalten – länger, als je ein Patienten-Arzt-Gespräch dauern kann. Das verstehe ich ja schon auch irgendwo – auch Ärzte wollen und sollen ihr Geld verdienen. Unterm Strich gehen unzufriedene, sich unverstanden fühlende, mit „ohne Befund“ abgestempelte und vor allem nicht gesundete Patienten dann aber zum nächsten Arzt, und zum nächsten, und zum nächsten – und verbringen wahnsinnig viel Zeit damit, immer und immer wieder das Gleiche zu erzählen. Das kostet unfassbar viel Energie – man möchte gar nicht immer wieder das gleiche erzählen. Für mehr als die oberflächliche Geschichte hat kein Arzt Zeit, und damit kommt man, wie auch schon bei den zig Ärzten vorher, nicht weiter. Der Patient wird immer unzufriedener, der Arzt stempelt den Patienten  ab, sobald er die Akte sieht – ein Teufelskreis, in dem kein Arzt jemals dazu kommt, sich ein wirklich umfassendes Bild zu machen. Damit meine ich, auch das einzubeziehen, was der Patient vielleicht anfangs vor lauter Aufregung und Verzweiflung zu erwähnen vergisst, oder was ihm schlicht nicht erwähnenswert vorkommt.

Letzte Woche hatte mir der Mensch mit den „ähnlichen Symptomen“ schon Mal recht ausführlich von den seinen berichtet.  Heute noch mal, weiter in die Tiefe gehend, und die Geschichte davor und drum herum. Ich bin froh und dankbar, dass er mir das anvertraut hat. Mitverantwortlich dafür mag gewesen sein, dass ich heute – zum ersten Mal seit langer Zeit mal wieder – auch über meine „Krankengeschichte“ geredet habe. Wie man an meinem Blog sieht, ist dieses Thema Dank des Cortisons sehr in den Hintergrund meines Lebens gerückt. Ich weiß, dass es da ist, aber ich muss mich nicht mehr darauf konzentrieren, sondern kann das Leben wieder in vollen Zügen genießen. Heute hatte ich aber das Gefühl, dass es gut wäre, darüber zu sprechen – das es helfen könnte. Und es war einfach, denn ich konnte aus tiefstem Herzen sagen „ich verstehe“. Ich verstehe was du meinst, wie es dir geht, wie du dich fühlst. Das ergibt eine ganz andere Basis für ein Gespräch, in dem man sich ansonsten selbst mit der sorgfältigst gewählten Wortwahl nicht verständlich machen kann. Und vielleicht hat das wirklich die Tür für diese eine, eigentlich gar nicht so wahnsinnig wichtig erscheinende Information gegeben, auf die es ankommt:

Zwei Stunden später, als ich gerade mit dem Fahrrad nach Hause fuhr, fügten sich nämlich in meinem Kopf ein paar Puzzleteilchen zusammen. Es war wie ein Geistesblitz – logisch, und doch nicht so naheliegend, das ich direkt daran gedacht hätte.

Ob meine Idee im Endeffekt der richtige Ansatz ist, werden wir ausprobieren müssen. Ich hoffe, dass es mindestens ein guter Ansatz ist, ein Schritt in die richtige Richtung, eine Erleichterung. Ich freue mich drauf, es auszuprobieren, und bin ungeduldig, weil es bis dahin noch ein paar Tage dauert.

Noch ein Gedanke zum Abschluss:

Auch wenn s eine gewagte These ist: Ich glaube, wenn unser Gesundheitssystem in der Art arbeiten würde, würde es sich selbst entlasten. Wenn die ganzen unnötigen Mehrfachbesuche bei verschiedensten Ärzten ohne Ergebnis  wegfallen würden, würden die Ärzte wahrscheinlich so viel Zeit und Geld sparen, die Wartezimmer wären nicht so hoffnungslos überfüllt, und die Ärzte hätten ausreichend Zeit für jeden Patienten  – die dann ja auch seltener zu kommen bräuchten, und so weiter. Eine positive Spirale, an dieser Stelle wohl zu schön um wahr zu sein.

Natürlich sind nicht alle so, es gibt ganz wundervolle, echte „Engel“ in Weiß , die sich wahnsinnig viel Zeit nehmen – allerdings im Moment noch bei immer voller werdenden Wartezimmern, weil es Raritäten sind. Auch wenn sehr viele Weichensteller dafür nötig waren (oder gerade deswegen!) bin ich immer noch wahnsinnig dankbar, dass ich davon schlussendlich ein paar gefunden habe 🙂

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