Krankheitsgeschichte – lange Version

Nach der Muskelbiopsie - erst mal nur mit Mercedes!Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie wenig Lust ich auf das Schreiben dieses Textes habe. Mir graut es mittlerweile schon davor, jemandem, der meine „Geschichte“ noch nicht kennt, alles von vorne aufzurollen. Das ist so verwoben, konfus, und für mich mit so vielen unschönen Erinnerungen versehen.

Und das alles jetzt so aufzuschreiben, dass man es versteht, ohne Zwischenfragen stellen zu können – oh je, das kann was werden. Und wird bestimmt nicht ganz funktionieren. Wer Fragen (Anmerkungen, Ideen, …) hat, darf mir sehr gerne schreiben. Ich bin immer Hin- und Hergerissen zwischen „nicht mehr darüber reden wollen“ und „nicht aufgeben, dranbleiben, irgendwann kommt der richtige Impuls“.

Hier versuche auf den folgenden Seiten zusammenzutragen, „was bisher geschah“. Das wird ein langer Text – für alle die nicht ganz so tief eintauchen wollen gibt es auch eine Zusammenfassung. Ich hoffe, dass sich ein paar durch die lange Version quälen, vielleicht gibt es ja unter euch welche, die

  • ähnliche Erfahrungen gemacht haben und Lust auf einen Erfahrungsaustausch haben
  • Ideen haben, was es sein, bzw. was helfen könnte
  • Gerne genau wissen wollen, was mit mir los ist

Na dann, macht es euch mal gemütlich. 🙂

Zuerst mal meine „Rohdaten“: Geboren am 29.7.1988 (bei Beginn der Beschwerden 26 Jahre alt), 169 cm, 58 kg, Ruhepuls 46s/min, Beruf Sporttherapeutin/Trainerin, Freizeit: Ausdauersportlerin (Triathletin/Läuferin).

„subjektiver Verlaufsbericht“:

Am 16.02.2015 hatte ich erstmals beim Laufen nach wenigen Metern sehr starke, stechende, immobilisierende  Schmerzen im rechten Oberschenkel. Daraufhin beendete ich das Training sofort, schob die Schmerzen auf den stressigen Tag oder Magen-Darm-Beschwerden in den Tagen zuvor. Das Stechen blieb noch 2 Tage erhalten, nahm aber an Intensität deutlich ab.

Daraufhin war ich zwei Wochen mit lieben Menschen in Urlaub – wie immer ein bisschen aktiv, aber kein Mammutprogramm. Am darauffolgenden Samstag wollte ich einen Zehn-Kilometer-Wettkampf laufen und hatte mich daher in der Woche vorher gut ausgeruht. Ich bin mit einem Freund zum Wettkampf gefahren und fühlte mich an dem Tag frisch und gut. Beim Warmlaufen kam plötzlich wieder dieser stechende Schmerz im rechten seitlichen Oberschenkel. Ich beendete das Warmlaufen, versuchte zu dehnen und zu lockern, und ging (ja, nicht ganz so klug) zum Start. Wenn man schon so weit für einen Lauf fährt, wollte ich wenigstens locker mitlaufen.

Aber der stechende Schmerz bei jedem Schritt blieb, und nach wenigen Metern ging es auch im linken Oberschenkel los. Ich blieb nochmal stehen, lockerte, dehnte (bestimmt ein lustiges Bild, wenige Meter nach dem Start..), und startete einen letzten Versuch. Wieder schaffte ich nur wenige Meter – und dann ging plötzlich gar nichts mehr. Ich hatte das Gefühl, jemand hätte Starkstrom an meine Wirbelsäule angelegt. Die Muskeln beider Oberschenkel kontrahierten dauerhaft und sehr schmerzhaft. Ein paar Sanitäter an der Strecke baten mich, die Strecke frei zu geben – aber ich konnte meine Beine nicht ansteuern. Nicht anwinkeln, nicht gehen, nicht dehnen. Ich stand einfach da und zitterte und zuckte von der Hüfte abwärts. Meine Gedanken waren klar, Gesicht, Rumpf und Arme konnte ich normal kontrollieren.

Nach einigen Minuten wurde es langsam besser, und ich konnte humpelnd, mit Hilfe und Pausen zum Auto gehen und vorsichtig ein bisschen dehnen, was ein wenig Linderung verschaffte.

Ich dachte an einen Bandscheibenvorfall und fuhr ins Krankenhaus. Der Bandscheibenvorfal war schnell vom Tisch. Im weiteren Verlauf der Behandlung wurden aufgrund des Blutbildes diverse Dinge vermutet, die sich jedoch scheinbar nicht bestätigten (Myositis, Pfeiffersches Drüsenfieber, Borreliose, Hepatitis, …). Schließlich einigten sich die Ärzte auf die Diagnose: spontan aufgetretene Rhabdomyolyse (=Auflösung quergestreifter Muskelfasern) durch die Krämpfe. Woher die Krämpfe kamen, blieb jedoch (und ist bis heute) unklar.

Durch die Auflösung der Muskelfasern stieg mein Creatinkinase-Wert auf 5000, war aber nach einer Woche wieder im Normbereich (<130). Auch die Leberwerte (GOT und GSP) waren erhöht.

Die ersten Tage nach dem Vorfall hatte ich starke Schmerzen in den Oberschenkeln (schätzungsweise eine Art Muskelkater, bedingt durch die starken, langanhaltenden Krämpfe). Bei der Nachuntersuchung eine Woche später bekam ich die Freigabe vom Arzt, wieder Sport zu machen – normalerweise hätte ich mich darüber wie ein Schnitzel gefreut. Aber mir war klar, dass das zu dem Zeitpunkt unmöglich war. Nicht nur an Sport, selbst an normalen Alltag war nicht zu denken. Ich schlief fast rund um die Uhr, ehrlich jeden Tag 18 – 20 Stunden. Und ich konnte nichts dagegen tun. Selbst wenn ich mir 13 Wecker stellte und mich mit viel Kaffee aus dem Bett zwang – spätestens, wenn ich im Auto saß, hatte ich das Gefühl, sofort im Sitzen wieder einzuschlafen. Ich war noch nie in meinem Leben so müde. Also schlief ich, abgesehen von Duschen und Essen, drei Wochen am Stück. Danach waren alle Laborwerte wieder normal – vielleicht hat mein Körper den Schlaf gebraucht, um sich zu regenerieren.

Nach drei Wochen begann ich wieder zu arbeiten, sowie damit verbunden (als Sporttherapeutin) mit leichtem Sport. Rad fahren und leichtes Krafttraining bereitete mir keine Schmerzen. Aber beim Gehen hatte ich stechende Schmerzen in der Hüfte. Wo kamen die denn jetzt her, nach 3 Wochen Dauerschlaf und damit absoluter Hüftschonung? Zur Abklärung wurde ein MRT angefertigt, aufgrund dessen Befund (diskrete Knochenmarksödeme in den Hüften beidseits) ich nochmals 4 Wochen auf jegliche Aktivität verzichten sollte – kein Sport, möglichst wenig gehen, bzw. Krücken verwenden.

Kurzer Exkurs: Mit 16 wurde bei mir eine angeborene beidseitige Hüftdysplasie diagnostiziert, die mir allerdings bis dahin nie Probleme bereitete. Manche Ärzte sagten, das wäre schlimm, und rieten mir zu einer Umstellungsosteotomie. Andere sagten, das würden sie an ihrer Tochter auf keinen Fall machen lassen, da das ein großer, riskanter Eingriff ist, und niemand abschätzen kann, wie es hinterher wird. Zumal ich damals keine Beschwerden hatte, die OP wäre nur gemacht worden, um eventuelle Folgeschäden zu vermeiden.

Da ich wusste, dass ich eine Hüftdysplasie habe, lief ich trotz aktiver Läufer- und Triathletenkarriere nie viele Kilometer pro Woche. Ich ersetze Laufeinheiten durch Rad- oder Schwimmtraining, und lief meist nur zwischen 20 und 40 Kilometer pro Woche. Ergänzend und berufsbedingt (als Sporttherapeutin und Fitnesstrainerin) machte ich viel Kraft-, Koordinations- und Stabilisationstraining – würde also behaupten, dass ich recht pfleglich mit meiner Hüfte umging, und hatte auch nie Beschwerden. Und auch jetzt waren und sind das keine „Arthroseschmerzen“, wie sie mir die operationslustigen Ärzte mit 16 vorhergesagt hatten. Dazu später mehr, erst mal wieder zurück im chronologischen Text – nach vier Wochen mit Krücken:

Wieder vier Wochen später, war ich kurz vorm Durchdrehen. Es war wie verhext. Nach acht Wochen hatten sich die Beschwerden komplett verändert. Zuerst unerklärliche Krämpfe, dann (durch die Krämpfe erklärbare) muskuläre Schmerzen und Müdigkeit – von alle dem spürte ich zu diesem Zeitpunkt nichts mehr. Dafür hatte ich jetzt starke Schmerzen beim Gehen in der Hüfte. Und die sind seitdem nicht wieder verschwunden. Morgens geht es ganz gut, je mehr Schritte ich am Tag mache, umso schlimmer wird es. Und dabei meine ich nicht, dass es nach einem ausgedehnten Spaziergang schlimmer wird, sondern bei jedem Schritt. Schon durch den Supermarkt gehen ist wirklich unangenehm. Bis zu meinem dreiwöchigen Tiefschlaf hatte ich NIE (!) Hüftschmerzen. Und seitdem tut mir jeder Schritt weh. Die Ärzte sagen, es gibt keinen Zusammenhang, und ich sehe auch keinen.

Aber ich finde, das ist schon ganz schön viel Zufall – 26 Jahre war ich quietschfidel und dann treten innerhalb von drei Wochen zwei so gravierende Probleme auf? Ich frage mich, ob in meiner Hüfte noch etwas anderes ist, was die Krämpfe ausgelöst hat und mir jetzt weh tut? Oder umgekehrt, ob die Schonung nach den Krämpfen die Hüftschmerzen erst ausgelöst haben? Vielleicht war ich vorher muskulär so gut aufgestellt, dass ich ein Defizit ausgleichen konnte, und in den sieben Wochen hat sich die Muskulatur soweit zurückgebildet, dass ich das jetzt nicht mehr kann? Vielleicht muss die übrig gebliebene Muskulatur in der Hüfte jetzt so stark arbeiten, dass sie ständig überfordert ist und daher weh tut?

Die Hüftschmerzen fühlen sich eher „muskulär“ an: Ich habe zum einen stechende Schmerzen vorne in der Hüfte (meine Vermutung: im Hüftbeuger?). Der Schmerz zieht in den Oberschenkel. Er kommt plötzlich und wird nicht durch Belastungen ausgelöst, sondern beim normalen Gehen, Stehen, Sitzen, .. . Durch Dehnen des Hüftbeugers wird es kurzfristig viel schlimmer, nach wenigen Sekunden aber besser. Ein ähnliches Gefühl kann ich provozieren, wenn ich meine Hüfte beuge und nach innen rotiere. Der andere Hüftschmerz ist ein dumpfer Schmerz hinten und machmal auch außen an der Hüfte – bei jedem Schritt, wenn ich mit dem Fuß einen Gegenstand wegschiebe, … Ich würde sagen, das fühlt sich wie sehr verspannte Muskulatur an. Diesen Schmerz kann ich durch Druck verstärken, aber auch durch Lockern (Dehnen, Blackroll, Physiotherapie, ..) kurzfristig lindern.

Verwirrt, und mit dem Zustand kaum mehr Gehen zu können natürlich sehr unzufrieden, machte ich mich auf die Suche:

  • Orthopädisch wurde wieder an eine Umstellungsosteotomie gedacht, wobei alle anderen Ärzte und auch Orthopäden davon abrieten
  • Physiotherapeuten und Osteopathen rieten mir ebenfalls von der Operation ab, verschafften mir für ein paar Stunden Linderung, dann setzten die Schmerzen wieder ein

Während ich darüber grübelte, woher die Hüftschmerzen kommen, kamen nach ein paar Wochen die Krämpfe und die Müdigkeit wieder: Schubweise! Nie wieder so schlimm wie beim ersten Mal. Eher ein kurzes, sehr schmerzhaftes Ankrampfen. Allerdings kein typischer Krampf, wie man ihn mal in der Wade oder Fußsohle haben kann, sondern mehr ein Entladen im gesamten rechten Oberschenkel. Danach: Ein paar Tage schlafen, dann war alles wieder gut. Manchmal war auch gar kein Krampf dabei, sondern meine Beine einfach nur bleischwer – ohne adäquate Belastung. Nach einem Ultramarathon wäre es ok wenn sich die Beine so anfühlen, aber plötzlich, aus dem Nichts, wenn man gemütlich auf der Couch liegt?

Da ich nicht mehr Laufen konnte und damit auch Triathlon vom Tisch war, stieg ich um auf Radfahren. Und das ging gut! In meinen „fitten“ Phasen (zwischen den Krämpfen und der Müdigkeit) war ich richtig gut drauf, nahm an Rennen teil und gewann die meisten. Keine Spur von Müdigkeit, und hätte mir beim aufs Siegertreppchen laufen nicht die Hüfte weh getan, hätte ich komplett vergessen, dass etwas nicht stimmt. Bis es mich das nächste Mal flach legte.

Anfangs waren es lange gute Phasen (ca. 6-10 Wochen), mit kurzen schlechten Unterbrechungen (2-4 Tage). Ich lernte damit umzugehen, das war ok für mich – bis die guten Phasen kürzer, die schlechten länger wurden. Und öfter kamen.

Seit 4. September 2016, also aktuell seit sechs Monaten, halten die bleischweren Beine und die Müdigkeit an. Auf einem Level, auf dem ich arbeiten kann, und mit dem ich einigermaßen umgehen kann – aber definitiv nicht so, wie ich mir mein Leben mit 28 vorstelle. Schon seit der Schulzeit hatte ich ab und zu 2-3 Schlaftage, damals allerdings ohne Schmerzen oder Krämpfe. Ich war einfach plötzlich sehr müde, musste drei Tage Akkus aufladen, und dann ging es wieder los. Vielleicht ist das völlig normal. Bei mir war es nur auffällig, weil ich ansonsten sehr aufgeweckt und quirlig war, kaum die Füße stillhalten konnte, und der Kontrast daher sehr stark war.

Seit September 2016 habe ich die Suche nach der Ursache nochmal verstärkt. Abgeklärt wurden

  • Neurologisch: EEG, EMG, Muskelbiopsie – alles „ohne Befund“, in super Zustand.
  • Rheumatologisch weiß ich nicht wie die Untersuchungen alle heißen, aber bisher auch alles gut – die letzten Ergebnisse kommen nächste Woche.
  • Endokrinologisch wurden nochmal sämtliche Blutwerte inkl. Hormone gecheckt – Auch hier alles ohne Befund, in super Zustand.

Schade, dass ich das von mir nicht behaupten kann.

Sehr spannend war für mich ein Experiment, dass ich diesen Januar gemacht habe: Ich habe für 12 Tage Cortison eingenommen. Und das hat wahnsinnig gut geholfen! Ich war morgens zu einer normalen Zeit wach, bin motiviert aus dem Bett gehüpft, mit dem Fahrrad durch die Gegend geflitzt, habe Skilanglauf gemacht, normal gearbeitet – und das ohne Mittagsschlaf oder übertrieben früh ins Bett zu gehen. Das war toll. Einfach ganz normal. Ich war sogar zum ersten Mal seit zwei Jahren wieder ein bisschen spazieren – danach hat mir zwar die Hüfte schon bisschen weh getan, aber immerhin ging es überhaupt.

Natürlich ist Cortison keine Dauerlösung, und ich habe es direkt wieder ausgeschlichen. Schade, das war es dann auch wieder mit meinen frischen Beinen und Wachheit. Aber immerhin zeigt mir das, dass es etwas gibt, was bekämpft werden kann. Cortison ist eine Schrotflinte, die auf alles schießt – aber wenn jemand wirklich sucht, findet er doch vielleicht heraus, was genau beschossen werden muss? Und womit? Und bestimmt hat das weniger Nebenwirkungen, und wäre vielleicht sogar eine Dauerlösung?

Normalerweise bin ich kein Freund von Medikamenten. Nach meine Weisheitszahnoperation, Schleimbeutelentfernung, diversen Knochenbrüchen bin ich immer gut ohne Schmerzmittel ausgekommen. In diesem Fall war aber auch eine Therapieidee, mal über ein paar Wochen Schmerzmittel zu nehmen. Es könnte ja sein, dass sich ein „Schmerzgedächtnis“ entwickelt hat. Das brachte jedoch, im Vergleich zum Cortison, leider keinen Erfolg. Da musste ich schon die Tageshöchstdosis einnehmen und selbst damit waren die Schmerzen nur besser, nicht weg – und die Müdigkeit und schweren Beine blieben.

Linderung hingegen brachte ein Versuch mit einem Muskelrelaxanz – sowohl in den Beinen, als auch in der Hüfte. Das könnte ja wieder dafür sprechen dass auch das Hüftproblem ein muskuläres Problem ist, und beides zusammenhängt. Allerdings ist es recht schwer, an ein Muskelrelaxanz ran zu kommen, das verschreiben die Ärzte nicht gerne. Und das wird wohl auch seinen Grund haben.

Es bleibt spannend. Ich bleibe dran, mache das Beste daraus, lerne eine Menge dabei (über mich und über jede Menge Krankheitsbilder und alternative Methoden) und berichte!

6 thoughts on “Krankheitsgeschichte – lange Version

  1. Liebe Carina,
    ich würde Dir raten, dass Du Dich an ein “Zentrum für seltene Erkrankungen” wendest, davon gibt es einige in Deutschland. Die schauen und denken an Sachen, womit ein niedergelassener Arzt überfordet ist.
    Ich wünsche Dir, dass Du bald eine Diagnose hast und an die Ursachen Deiner Beschwerden gehen kannst!!!
    Liebe Grüße, Silke

    1. Hallo Silke,
      danke für deine liebe Nachricht und vielen Dank für den wertvollen Tipp!
      Das wird der nächste Schritt in meiner Diagnosesuche.
      Alles Liebe für dich 🙂

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