Warten

Heute war der Termin bei dem Endokrinologen, von dem ich hier berichtet hatte.

Da es mir durch das Cortison sehr, sehr viel besser geht, habe ich die ganze Zeit kaum an den Termin gedacht. Wer nicht an seine Krankheit denken muss, denkt auch nicht an die Arztbesuche. Gibt einfach zu viel Schönes, an das man denken kann!

Heute Morgen kam die schlechte Laune dann mit voller Breitseite. Seit dem ersten März nehme ich Cortison, wenige Tage danach ging es mir schon deutlich besser. Mittlerweile fehlt mir zwar aufgrund der langen Pause noch ein bisschen Fitness, und ich schlafe auch noch recht viel, aber ansonsten kommt sogar in manchen Momenten schon wieder der „hüpfende Flummi“ durch, der die Füße nicht stillhalten kann. Jedenfalls bin ich nicht mehr der Koalabär, der eigentlich nur zum Essen wach wird und 20 Stunden am Tag schläft.

Jetzt wieder zu einem neuen Arzt zu fahren, meine Geschichte wieder von vorne aufzurollen– ich kann kaum in Worte fassen, wie wenig Lust ich darauf hatte. Schon als es mir wirklich schlecht ging, glaubten mir die Ärzte oft nicht, dass ich bei jedem Schritt Schmerzen hatte. Ich bin nicht gut darin, mir so etwas anmerken zu lassen.  Warum also sollte der Arzt heute mich ernst nehmen, obwohl ich mittlerweile tatsächlich wieder einen fitten und gesunden Eindruck mache?

Zum Glück waren meine Befürchtungen unbegründet – er glaubte mir. Und auch in vielen anderen Punkten bestätigte er mich, bzw. hatte interessante Ansätze . Nicht alles, was er sagte, gefiel mir – aber damit könnte ich weiter kommen. Das muss ich aber erst nochmal für mich sortieren, und werde bald darüber berichten.

Heute beschäftige ich mich erst mal mit dem psychologischen Problem des Wartens.

Vor dem Termin heute war ich mir nicht einmal sicher, ob die Untersuchung überhaupt durchgeführt werden kann. Es sollte ein Gentest gemacht werden, und manchmal muss man nach dem Aufklärungsgespräch mindestens eine Nacht darüber schlafen, ob man das Ergebnis tatsächlich wissen möchte. Es gibt nämlich für Patienten das „Recht auf Unwissenheit“. Und ich wurde tatsächlich trotz mittelweiter Anreise schon wieder nach Hause geschickt und musste am nächsten Tag zur Untersuchung wiederkommen, obwohl ich mir sehr sicher war, das Ergebnis wissen zu wollen.

Immerhin, das war kein Problem, die Untersuchung wurde gemacht. Allerdings muss ich jetzt wieder sechs Wochen warten, bis ich die Ergebnisse der heutigen Untersuchung habe. Dann rufe ich in der Praxis an und mache einen Termin zur Besprechung und weiteren Planung aus.

Selbst wenn das schnell gehen sollte, dauert es also mindestens acht Wochen, bis sich irgendetwas tun kann. ACHT WOCHEN! Ich muss zugeben, dass ich mich darüber schon eine Weile aufgeregt habe. Acht Wochen sind auch schon lang. Wenn man sich einen Arm bricht, kommt einem die Zeit, die man einen Gips tragen muss, vor wie eine halbe Ewigkeit. So kommt es mir auch vor. Und ich warte ja schon seit über zwei Jahren auf ein Ergebnis.

Das hat aber auch etwas Gutes. Ich bin das Warten mittlerweile gewohnt. Ich werde sogar besser darin. Und zum Glück geht es mir dank des Cortisons gut, sodass ich nicht mehr rumsitze und warte, sondern das Leben genießen kann. Im ersten Moment half mir der Gedanke zwar noch nichts, aber nach ein paar Stunden wurde mir klar, wie viel besser es mir schon geht, wie viel mehr Lebensqualität ich schon wieder habe, und was ich dafür vor sechs Wochen noch alles gegeben hätte.

Also bin und bleibe ich erst mal zufrieden damit und dankbar dafür, wie es aktuell ist. Zudem war der Termin ja an sich recht vielversprechend, es könnte durchaus sein, dass etwas dabei herauskommt. Ob das dann gut oder schlecht ist, kann man unterschiedlich interpretieren, aber für mich wäre es eine große Erleichterung, endlich zu wissen, was los ist. Noch ein Grund mehr, mit dem heutigen Termin zufrieden zu sein, statt mit der Wartezeit zu hadern.

Einen großen Anteil an dem Wechsel der Sichtweise hat mein liebes Umfeld, das mir heute Nachmittag und Abend durch Gespräche und Aktivitäten zeigte, wie schön und normal mein Leben wieder geworden ist. Durch die Stadt spazieren, mit meiner Nichte über den Spielplatz flitzen, sogar klettern gehen und über eine Slackline balancieren (na gut, ich habe es versucht) – all das wäre bis vor 6 Wochen völlig undenkbar gewesen.

Eine Schlüsselfrage ließ mich nochmal abschließend über meine Sichtweise nachdenken: „Aber die Untersuchung wurde heute gemacht, ja?“ In dem Moment wurde mir klar, wie schnell ich immer mehr will – und oft viel zu viel. Bis vor dem Termin hatte ich Bammel, dass ich heute gar nicht untersucht werde. Dann wurde die Untersuchung durchgeführt, und ich würdigte ich es gar nicht, geschweige denn dass ich mich darüber freute. Stattdessen nahm ich es als normal hin – und war schon wieder unzufrieden, weil es so lange dauert, bis die Ergebnisse da sind. Irgendwas findet man schon zum unzufrieden sein, wenn man danach sucht. Schön blöd!!

‘Erkenntnis ist der erste Weg zur Besserung’, also werde ich in Zukunft sehr gut auf meine Gedanken achten. Vor allem die Negativen intensiv hinterfragen. Suche ich mal wieder die „Nadel im Heuhaufen“, oder ist tatsächlich gerade alles Scheiße und ich habe Grund für schlechte Laune? Objektiv betrachtet ist letzteres wahrscheinlich sehr selten der Fall. Ob man lernen kann, das immer und direkt anzuwenden? Also sich die schlechte Laune direkt zu sparen? Ich hoffe es! Auf jeden Fall arbeite ich daran.

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